Bericht FOCUS vom 24.09.2007 | Die Rechte der geschädigten Autofahrer müssen gewahrt bleiben | Unfallopfer zahlt die Zeche | Bericht WISO vom 20.06.2005

Streichen mit System - Wo Versicherungen gern tricksen

"In mindestens einem Drittel aller Fälle kommt es zu Kürzungen, also einer systematischen Benachteiligung der Geschädigten, die sich durchaus im strafrechtlichen Bereich des Betruges bewegt" - schätzt E. Fuchs, Verkehrsrechtler und Geschäftsführer des Sachverständi-genverbandes BVSK.


  • Grundsatz des Ersatzanspruchs

    Nach § 249 BGB hat der zum Schadenersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Unfall nicht geschehen wäre. Ist Schadenersatz zu leisten, so kann der Geschädigte statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (fiktive Abrechnung). Liegen Reparaturkosten und Minderwert nicht mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, dann darf der Geschädigte zu Lasten des Schädigers reparieren (BGH VersR 92, 61; 92, 64).



  • Minderung der tatsächlichen Schadenshöhe

    Nach einem unverschuldeten Unfall ließ der Geschädigte M. den Schaden an seinem SMART-PKW von einem unabhängigen Gutachter ermitteln. Die HUK-Coburg ließ als leistungspflichtige Haftpflichtversicherung das Schadengutachten von der DEKRA kontrollieren. Eine bestellte Kürzung? Der Schadenbericht der DEKRA-Prüfer vermittelt den Eindruck, der Gutachter hätte sich vertan. Sie kürzten auftragsgemäß und gegen geltendes Recht die ermittelten Reparaturkosten von 3.658,35 um 581,91 auf 3.076,44 Euro (Lohn 295,60, UPE-Aufschlag 197,41, Ver- bringungskosten 88,90 Euro).

    Nach einem Totalschaden rechnen die Versicherungen nach folgendem Prinzip ab: Sie ziehen den Restwert, der sich für den defekten Wagen erzielen lässt, von dem Wiederbeschaffungswert ab. Es liegt im Interesse des Unternehmens, dass dieser Restwert möglichst hoch ausfällt - und damit die Entschädigung niedrig. Einige Versicherungskonzerne drängen Gutachter, beim Restwert Preise zu berücksichtigen, die bei bundesweiten Onlinebörsen geboten werden - sie liegen meist höher als auf dem regionalen Markt. Der BGH hat jedoch entschieden, dass ein Sach- verständiger bei der Ermittlung des Restwerts den allgemeinen regionalen Markt berücksichtigen soll (BGH v. 6.3.07, Az. VI ZR 120/06).



  • Einschüchterung durch Prüfprotokolle

    Die Assekuranzunternehmen lassen die Gutachten der unabhängigen Sachverständigen durch externe Firmen auf Plausibilität prüfen. Dabei geben sie den Kontrolleuren oft vor, bestimmte Kostenpositionen zu streichen oder zu verringern. Ziel dieser "Prüfprotokolle" oder "Schadenberichte" ist auch, unsichere Geschädigte einzuschüchtern. Längst nicht alle Kürzungen der Versicherung sind jedoch legitim. Droht ein Geschädigter mit Klage, sind die Unternehmen oft bereit, der zuvor gestrichenen Beträge plötzlich anstandslos zu erstatten.



  • Vorsicht bei eigennützigem Service

    Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners bietet dem Geschädigten oft einen firmeneigenen Sachverständigen an - "zur unkomplizierten und schnellen Schadensregulierung". Dieser Gutachter ist aber nicht neutral. Er wird von der Versicherung bezahlt und handelt deshalb in deren Interesse. Wer auf Nummer sicher gehen will, sucht sich seinen Sachverständigen selbst aus. Grundsätzlich darf jeder Autofahrer einen freiberuflichen, unabhängigen Kfz-Sachverständigen seiner Wahl beauftragen, um die Höhe des Schadens festzustellen. Dessen Gutachten muss alle für die Schadensregulierung relevanten Aspekte wie Reparaturkosten, Wert- minderung, Wiederbeschaffungs- und Restwert enthalten und ist für die gegnerische Versicherung die Grundlage, den Schaden zu regulieren. Ist der Schaden höher als ca. 700 Euro muss die gegnerische Haftpflichtversicherung die Kosten des Gutachters tragen (BGH, Urteil vom 30.11.2004 - VI ZR 365/03).


  • Quelle: Focus vom 24.09.2007 (Auszug)



    Die Rechte der geschädigten Autofahrer müssen gewahrt bleiben

    ADAC und andere kritisieren das Schadensmanagement

    Der ADAC sieht die Aktivitäten der Versicherungswirtschaft im Rahmen des Schadensmanagements mit großer Skepsis. Der Unfallgeschädigte müsse, so Eckhard Jung, Leiter der juristischen Zentrale des ADAC, als selbständig entscheidender Auftraggeber, stets Herr des Verfahrens bleiben. Sonst könne die Forderung des Geschädigten auf der Strecke bleiben. Das Unfallopfer habe das Recht, sich nach seiner Wahl beraten zu lassen, die Versicherung dagegen habe ein eigenes Interesse, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Die Wirtschaftsmacht, die zum Schadenersatz verpflichtet ist, sollte nicht bestimmen, wo beraten und repariert wird. Das Unfallopfer bekommt es oftmals nicht mit, wenn es von der Versicherung über den Tisch gezogen wird.

    Durch die Komplexität des Schadenersatzrechtes ist es für den Geschädigten schwierig, ohne fachliche Hilfe auszukommen. Er benötigt kompetente Beratung. Rechtsanwalt Fuchs vom BVSK: "Ein frei gewählter Sachverständiger sorgt dafür, dass der Geschädigte auch hundert Prozent wiederbekommt - nicht mehr und nicht weniger. Jeder Angriff auf die Rechte des Verbrauchers - nach einem Verkehrsunfall die Werkstatt des Vertrauens, einen Rechtsanwalt und einen Sachverständigen einzuschalten - schadet letztlich dem Geschädigten. Die Schadensregulierung sollte durch einen Verkehrsanwalt vorgenommen werden. Das schützt vor finanziellen Nachteilen."


    Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.11.2004, Nr. 278 (Auszug)



    Unfallopfer zahlt die Zeche

    Schadenersatz im Interessenkonflikt

    Eine oft unzulängliche Entschädigung der Verkehrsunfallopfer haben der ADAC, der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) kritisiert. Durch die Reform des Schadenersatzrechts erhalten Unfallopfer häufig nicht mehr den vollen Ersatz des ihnen zugefügten Schadens. Auch das "Schadens- management" der Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherer trage zur Ver- schlechterung bei. Deren Schadensteuerung ziele vor allem dahin, die freie Werkstattwahl, das Hinzuziehen eines Rechtsanwalts und eines unabhängigen Sachverständigen einzuschränken, um die Kosten der Unfallentschädigung zu senken.

    Beim Karlsruher Verkehrsrechts-Forum äußerte Wolfgang Wellner, Mitglied des für Fragen des Schadenersatzrechts zuständigen Senats beim Bundesgerichtshof (BGH), die Entscheidungsfreiheit des Verkehrsopfers dürfe nicht beeinträchtigt werden. Der Schädiger und seine Versicherung seien nicht befugt, z. B. die Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt oder unabhängiger Gutachter auf niedrigere Vergleichskosten anderer zu mindern (BGH, Urteile vom 29.04.2003, VI ZR 393/02 u. VI ZR 398/02). Die von den Versicherungen vielfach angewandte Praxis, das Recht geschädigter Autofahrer bei der Unfallabwicklung einzuschränken, sei nicht hinnehmbar.


    Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung 12/2003/Nr. 286 (Auszug)



    Bericht WISO vom 20.06.2005
    http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/2/0,1872,2322818,00.html




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